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Fachbeiträge "Aufsicht im Museum / QEM"

Auf Inhalt und Vermittlung kommt es an, nicht auf ein Stück Papier!

Zertifikate sind kein Garant für Qualität und Passgenauigkeit

Der Erfolg eines Museums steht und fällt mit dem Wissen und dem Engagement des Personals. Die wahren „Augen & Ohren“ des Museums sind die Servicekräfte aus den Bereichen Kasse, Information, Aufsicht und Sicherheit. Umso wichtiger ist es, die Kenntnisse und Fähigkeiten des Service- und Aufsichtspersonals von Zeit zu Zeit durch versierte Schulungen zu vermitteln, zu vertiefen und zu fördern. Wie aber findet man die richtige Schulung? Ist ein Zertifikat oder ein Siegel eine nützliche und verlässliche Orientierung? Um es gleich zu sagen: Nein.

Aufsicht im Museum – ein weites, ungeregeltes Feld

Wer sein Service- und Aufsichtspersonal qualifizieren möchte, findet im deutschsprachigen Raum eine beachtliche Zahl von Anbietern. Neben den meist privatwirtschaftlichen Unternehmen, gibt es auch einige öffentliche Institutionen. (Anm. 1) Bevor man sich also auf die Suche nach dem geeigneten Partner für die Weiterbildung macht, sollte man wissen: Das Berufsbild „Aufsicht im Museum“ existiert in Deutschland nicht. Für die Aus- und Weiterbildung von Service- und Aufsichtspersonal in Museen gibt es hierzulande keine definierten Inhalte oder verbindliche Curricula. Schulung und Qualifizierung des musealen Service- und Aufsichtspersonals sind ein weithin ungeregeltes Feld. Das kann man beklagen. Eindeutiger verhält es sich bei Personen, die für Unternehmen aus der Bewachungs- und Sicherheitsbranche tätig sind, um fremdes Leben oder Eigentum zu schützen. Gesetzliche Grundlagen für diesen Personenkreis sind u.a. die Gewerbeordnung (GewO) und die Bewachungsverordnung. Für die eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eines Museums wird der Nachweis nach §34a GewO immer häufiger gewünscht, aber gesetzlich verpflichtend ist er bislang nicht. Mit Blick auf diese Situation kann ein Kulturbetrieb auf den Gedanken kommen, sich an Zertifikaten oder Siegeln orientieren zu wollen.

Kaum Auswahl bei sog. Zertifikats-Anbietern

Wer seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter partout von einem Unternehmen schulen lassen möchte, das sich mit einem Zertifikat schmückt, hat im deutschsprachigen Raum keine große Wahl. Eine der bekanntesten ist der in Berlin ansässige ServiceQualität Deutschland (SQD) e.V., der seit 2001 ein dreistufiges Schulungs- und Zertifizierungsprogramm für kleine und mittelständische Dienstleister anbietet, vorwiegend im Tourismus. Zu beachten ist der branchenübergreifende Anspruch: Zu den aktuell 1728 zertifizierten Betrieben gehören 44 Campingbetriebe, 108 Gastronomiebetriebe, 25 Handwerker (u.a. Friseure und Dachdecker), 373 Hotelleriebetriebe, 22 Reiseveranstalter, 85 Thermen / Bäder, 327 Touristinformationen und fünf Winzer. Darüber hinaus werden 83 Museen, Ausstellungen bzw. historische Anlagen sowie zwölf Bibliotheken genannt. (Anm. 2) Nur rund fünf Prozent der von SQD zertifizierten Unternehmen sind Kulturbetriebe. Konsequent, dass SQD nicht den Anspruch erhebt, ein spezifisch kultureller Anbieter mit passgenauen Inhalten, Instrumenten und Vermittlungsformen zu sein.

Dagegen zielt ECHOCAST (European Cultural Heritage Organisations Customer Aware Staff Training) ausschließlich auf Museen, Ausstellungshäuser, Schlösser und ähnliche Kulturbetriebe. Das ursprünglich mit EU-Mitteln entwickelte und geförderte Programm wurde über viele Jahre von einem österreichischen Privatunternehmen vermarktet. Die heute von der Schloss Schönbrunn Kultur- u. Betriebsges.m.b.H. organisierte Weiterbildung versteht sich als „praxisorientierter Standard für die Qualitätssteigerung im Gästeservice“. Das Basis-Training umfasst mindestens drei Tage und schließt mit einer Prüfung ab. Ergänzend bzw. vertiefend werden Aufbautraining und Spezialmodule angeboten, die fünf und mehr Tage umfassen können. Je nach Größe eines Kulturbetriebes kann eine Qualifizierung nach ECHOCAST kräftig ins Geld gehen: Pro Teilnehmer/in entstehen Kosten für die Schulung selbst (Trainerhonorare) sowie für die abschließende Prüfung, für die zwischen 90 und 110 Euro pro Person zu veranschlagen sind. Bei 150 zu schulenden Kräften kommt man pro Zyklus leicht auf einen mittleren fünfstelligen Betrag. Weitere Kosten kommen hinzu: Da sind zum einen die alle drei Jahre anstehenden Rezertifizierungen (Trainer plus Zertifikat). Des Weiteren kostet die Mitgliedschaft im ECHOCAST-Netzwerk: Voraussetzung, um an den Schulungen teilnehmen zu dürfen, ist der jährliche Erwerb einer Lizenzpartnerschaft in Höhe von 500 bzw. 1.000 Euro. Aktuell umfasst das Netzwerk sechs Kooperationspartner (davon einer in Deutschland) sowie sechs kostenpflichtige Lizenzpartner. (Anm. 3) Heute ist ECHOCAST vorwiegend in Österreich aktiv, wo es die §34 a GewO übrigens nicht gibt. Aktuell gibt es in Deutschland nur mehr zwei Lizenzpartner. Ob z.B. die Museen der Stadt Köln wegen der beachtlichen Kosten und wegen des nicht zu unterschätzenden organisatorischen Aufwandes aus diesem sich selbst erhaltenden `ewigen´ Kreislauf aus Zertifizierung und Rezertifizierung ausgestiegen sind?

Papier ist geduldig!

ServiceQualität Deutschland (SQD) und ECHOCAST werben mit Zertifizierung bzw. Zertifikat für ihre Leistungen. Was aber verbirgt sich dahinter? Im Falle von SQD verrät die Webseite nur etwas dazu, welche Zertifikate der Verein vergibt. Wer aber zertifiziert bzw. kontrolliert den Verein bezüglich der Einhaltung des selbstgesteckten Kriterienkataloges? Ähnlich verhält es sich mit ECHOCAST. Auf deren Webseite heißt es: „ICOM Österreich hat das Qualitätssiegel für das ECHOCAST Programm verliehen. Es wird von ICOM Österreich als hochqualitatives Weiterbildungsangebot im Museumsbereich weiterempfohlen.“ Das klingt gut, denn ICOM ist eine weltweit anerkannte und vertrauenswürdige Organisation. Dennoch: ICOM Österreich ist zwar der größte österreichische Verband der Museen und Museumsfachleute, aber es ist zugleich eine rein private Körperschaft, die museale Interessen in der Gesellschaft vertritt. Von ICOM Österreich ist zudem nicht bekannt, dass sie den Anspruch erhebt, die Curricula von Weiterbildungen definieren, regulieren oder kontrollieren zu wollen. Eine von ICOM Österreich ausgesprochene Empfehlung hat also mitnichten den Status einer staatlichen Institution, eines Verbandes oder einer unabhängigen Prüfgesellschaft. An Gütesiegeln mangelt es hierzulande nicht. Bei insgesamt über 1.000 Kennzeichen und Labeln allein auf dem deutschen Markt fällt der Überblick schwer. Die meisten Gütezeichen wollen etwas über die Qualität eines Produktes aussagen, z.B. über seine Sicherheit oder seine Umwelteigenschaften. Ein Garant für Unabhängigkeit und Qualität ist ein Zertifikat jedoch nicht, denn grundsätzlich kann jeder ein Prüf- oder Gütesiegel kreieren, es gibt dazu keine gesetzlichen Regelungen. Das gilt auch für den Bereich der Weiterbildungen. Bevor man also ein Unternehmen beauftragt, weil es mit einem Zertifikat oder einem Siegel wirbt, sollte man sich klar machen: Für die Schulung von Service- und Aufsichtspersonal in Museen existieren hierzulande weder allgemein gültige Inhalte noch verbindliche Formen der Vermittlung und der Prüfung. Folglich gibt es auch keine regulären Abschlüsse, Siegel oder Zertifikate; zumindest keine, die von unabhängigen (mittelbare Staatsverwaltung!) tätigen Prüfgesellschaften oder Zertifizierungsstellen wie z.B. DQS, TÜV oder DEKRA koordiniert, reguliert, kontrolliert oder legitimiert wären. Mit Blick auf die Vergabe und Durchführung von Weiterbildungsmaßnahmen sollten Museen bedenken: Schulungen, die Zertifizierungen und sog. Standards anbieten, basieren auf freiwilliger Übereinkunft zwischen den Beteiligten. Anbieter, deren Marketing die Existenz von nationalen oder gar internationalen Inhalten und Standards behaupten, kalkulieren mit Unkenntnis, Unsicherheit oder Eitelkeit der Verantwortlichen in den Kulturbetrieben bzw. ihren Trägern. Fazit: Siegel und Zertifikate sind nur begrenzt aussagekräftig.

Nicht vom „schönen Schein“ blenden lassen!

Auch im Kulturbereich sind Trainer, Berater oder Coach keine geschützten Begriffe, d.h. es gibt keine staatlich anerkannten Ausbildungen, wissenschaftlich fundierten Standards und Qualitätsnachweise, sondern einen hinsichtlich Terminologie, Inhalt und Qualitätsmerkmalen freien Markt. Um den geeigneten Partner für eine Schulung zu finden, sollte eine Einrichtung ihren konkreten Bedarf im Vorfeld möglichst genau kennen und formulieren. Mögliche Kriterien für die Vergabe von Schulungen (Auswahl):
• Definition von Anspruch und Ziel des Hauses und seiner Mitarbeiter (z.B. Leitbild).
• Feststellung der besucherrelevanten Stärken und Schwächen der Einrichtung.
• Konkrete Erwartungen an Qualität und Leistung des Personals.
• Grund für die Durchführung einer Schulung (z.B. Anerkennung, Auffrischung, Missstände).

Gute Schulungen sollten darauf ausgerichtet sein, das Service- und Aufsichtspersonal zu einem integralen Teil des jeweiligen Kulturbetriebs und seiner spezifischen Gegebenheiten und Zielstellungen zu machen. Ziel sollte es sein, die auf die Besucherinnen und Besucher bezogenen Kompetenzen des Personals zu fördern und die Kenntnisse des Personals über organisatorische, technische, betriebliche Abläufe zu vertiefen, um in der Begegnung mit dem Gast jederzeit und souverän mit den Stärken und Schwächen eines Kulturbetriebes umgehen zu können. Das aber setzt voraus, dass das Personal aktiv in die spezifischen Strukturen des Museums und in die besucherrelevanten Prozesse eingebunden wird. Denn: Engagierte Service- und Aufsichtskräfte wissen nicht nur, WAS zu tun ist, sondern sie verstehen auch das WESHALB und sie beherrschen das WIE.

QEM – Qualifizierte Einbindung von Museumspersonal
Dr. Berthold Schmitt, Trainer von Service- und Aufsichtspersonal in Museen
Wielandstraße 5, 04177 Leipzig
Tel 0049 / 341 / 5296524
mail(at)schmitt-art.de
www.aufsicht-im-museum.de

Anm. 1: Darunter Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen in Bayern; Landesstelle für Museumsbetreuung Baden-Württemberg; Verband der Museen der Schweiz (VMS)
Anm. 2: Vgl. Unsere Q-Betriebe; Quelle: https://www.q-deutschland.de ; Abfrage: 16.02.2022
Anm. 3: Vgl. ECHOCAST, Quelle: echocast.eu; Abfrage: 16.02.2022

Dieser Beitrag wurde erstmals publiziert in KulturBetrieb, eins 2022, S. 62 f.