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Fachbeiträge "Aufsicht im Museum / QEM"

Im Namen der Sicherheit

Englisches Museum verwendet Technologie zur Gesichtserkennung

Schutz und Sicherheit von Personen und Ausstellungsobjekten sind zentrale Anliegen von Museen, Ausstellungshäusern u.a. kulturbewahrenden Einrichtungen. Neben dem Einsatz von Personal und mechanischen Vorkehrungen setzen viele Häuser auch auf elektronisches Sicherheitsmanagement. Das können z.B. kapazitive Lösungen, Lichtschranken oder Videoüberwachung sein. Das Liverpool World Museum hat nun eingeräumt, im Jahr 2018 erstmals Verfahren zur automatischen Gesichtserkennung verwendet zu haben.

»Wir sehen Dich und wir kennen Dich!«

Momentan schaut alles gespannt nach China, wo das Projekt „Xue Liang“ („Adlerauge“) Gestalt annimmt. Bis 2020 sollen 600 Millionen intelligente Kameras das Geschehen im ganzen Lande erfassen und auch Individuen identifizieren können. Das Ziel der künftigen lückenlose Erfassung ist die „Einführung eines `Social Credit Systems´. Bürger, die sich an die Vorschriften halten, sollen nichts zu befürchten haben. Doch wer Rechnungen nicht bezahlt oder bei Rot über die Ampel geht, könnte langfristig zum Bürger zweiter Klasse degradiert werden. Dann wird einem das Leben schwer gemacht. (…) 10 Millionen Menschen stehen dem `Deutschlandfunk´ zufolge bereits auf der schwarzen Liste.“ (Anm. 1)
Was sich nach George Orwells `Nineteen Eighty-Four´ (1984) anhört und lange als pure Fiktion gegolten hat, wird aber nicht nur im fernen China Realität, sondern auch in Europa. Das 1851 gegründete World Museum in Liverpool beherbergt umfangreiche archäologische, ethnologische und physikalische Sammlungen. Anlässlich einer Ausstellung über Chinas ersten Kaiser und die Terrakotta-Armee (09.02.-28.10.2018) hat das Museum wegen erhöhter Sicherheitsrisiken seine Gäste mittels Gesichtserkennungstechnologie erfasst. Dazu ein Sprecher des Museums: „This was put in place after seeking advice from Merseyside Police and local counter terrorism advisors and was clearly communicated in signage around the venue. World Museum did not receive any complaints and it is no longer in use. Any use of similar technology in the future would be in accordance with National Museums Liverpool’s standard operating procedures, she adds, and with good practice guidance issued by the Information Commissioner’s Office, the UK’s privacy watchdog body.” (Anm. 2)
Bei der Gesichtserkennung durch Maschinen (face recognition) werden zunächst sichtbare Merkmale eines Menschen wie Augen, Nase und Mund sowie deren Position, Abstand und Lage zueinander aufgenommen. Dann analysiert eine Software die Ergebnisse und gleicht diese mit zuvor gespeicherten Informationen ab. Insgesamt handelt es sich um ein sog. biometrisches Verfahren, das u.a. in der Kriminalistik oder Forensik eingesetzt wird, um natürliche Personen zu identifizieren oder zu verifizieren (z.B. Zutrittskontrolle). Neben der zweidimensionalen Gesichtserkennung wird zunehmend auch in 3D erfasst, z.B. mittels Streifenprojektion. Durch die zusätzlichen Informationen soll die Erkennungsgenauigkeit erhöht werden. Bei den leistungsfähigsten Verfahren soll die Fehlerrate auf ein Prozent reduziert sein. Die dafür benötigte Software wird von chinesischen sowie von schwedischen und US-amerikanischen Unternehmen (u.a. Apple) produziert. (Anm. 3)

Andere englische Museen lehnen nicht grundsätzlich ab

Während britische Datenschützer die Maßnahme des World Museum Liverpool vehement ablehnen, sind Verantwortliche anderer britischer Museen offen gegenüber der Technologie. So z.B. William Brown, Arts Council England´s National Security advisor: “The technology is `legally compliant and should not cause any concern except for those intent on committing crime who may be apprehended because of it´.” Auch Riyaz Somani, Sicherheitschef am Imperial War Museum, hegt keine grundsätzlichen Bedenken gegen die Technologie: “The facial recognition technology is not ready to be used in the public environment in my opinion. The algorithms are not strong enough to give any credible data, which can then be used for security, marketing etc. But there should not be cause for concern as long as required measures are put in place to comply with general data protection regulations.” (Anm. 4)

Versuche mit der neuen Technologie hat es auch hierzulande bereits gegeben: Am Bahnhof Südkreuz in Berlin haben das Bundesministerium des Innern und die Deutsche Bahn AG im Sommer 2017 ein Projekt zur Gesichtserkennung gestartet. Dazu haben sich 275 Personen freiwillig gemeldet und ihre Daten resp. Aufnahmen ihres Äußeren zur Verfügung gestellt. Die Trefferrate soll bei durchschnittlich 80% liegen. Dazu Bundesinnenminister Horst Seehofer: „Die Ergebnisse zeigen, dass die Technik zur Gesichtserkennung unsere Polizistinnen und Polizisten im Alltag erheblich unterstützen kann. Die Systeme haben sich in beeindruckender Weise bewährt, so dass eine breite Einführung möglich ist. Wir können damit in bestimmten Bereichen die Polizeiarbeit noch effizienter und effektiver gestalten und damit die Sicherheit für die Bürgerinnen und Bürger verbessern.“ (Anm. 5)

Einen ganz anderen Weg geht hingegen San Francisco. Als erste Kommune weltweit hat der dortige Stadtrat im Mai 2019 entschieden, seinen Behörden und der Stadtpolizei den Einsatz von Gesichtserkennungstechnologie zu verbieten, denn „die Gefahr, dass der Einsatz solcher Technologie die Bürgerrechte verletzen könne, überwiege die vermeintlichen Vorteile bei Weitem“. (Anm. 6)

Anm. 1: Christoph Fröhlich, 600 Millionen Kameras im Land: Chinas allsehendes Auge nimmt seine Arbeit auf, in: Stern, 17.04.2018; Quelle: https://www.stern.de/digital/technik/china-plant-die-totalueberwachung-mit-600-millionen-kameras-7945414.html; Abfrage: 19.08.2019
Anm. 2: Gareth Harris, Liverpool World Museum used facial recognition technology on visitors to Terracotta Warriors show, in: The Art Newspaper, 16.08.2019; Quelle: https://www.theartnewspaper.com/news/liverpool-world-museum-used-facial-recognition-technology-on-visitors-to-terracotta-warriors-show?mode=preview&utm_source=The +Art+Newspaper+Newsletters&utm_campaign=ea2f4d0d35-EMAIL_CAMPAIGN_2019_08_15_03_40&utm_medium=email&utm_term=0_c459f924d0-ea2f4d0d35-61151879; Abfrage: 19.08.2019
Anm. 3: Vgl. Gesichtserkennung, in: Wikipedia; Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Gesichtserkennung; Abfrage: 19.08.2019
Anm. 4: Harris, a.a.O.
Anm. 5: Vgl. Projekt zur Gesichtserkennung erfolgreich. Testergebnisse veröffentlicht – Systeme haben sich bewährt, in: Pressemitteilung des Ministerium des Innern, 11.10.2018; Quelle: https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/pressemitteilungen/DE/2018/10/gesichtserkennung-suedkreuz.html; Abfrage: 19.08.2019
Anm. 6: San Francisco verbietet Gesichtserkennung, in: ORF.at, 15.05.2019; Quelle: orf.at/stories/3122364/; Abfrage: 19.08.2019

Dieser Beitrag wurde erstmals publiziert in KulturBetrieb, zwei 2019, S. 74 f.