COVID-19 hat die gesamte Gesellschaft außer Takt gebracht. Das betrifft auch den Betrieb von Museen, Archiven, Bibliotheken u.a. kulturbewahrenden Einrichtungen. Während die einen sagen, dass möglichst viele Orte, an denen Menschen einander begegnen, den Betrieb einstellen sollen, betonen andere die Systemrelevanz von Kultur und plädieren für die Öffnung mit entsprechenden Hygienekonzepten. Bei diesem Für und Wider geht es meist um die Abwägung zwischen kulturellen Bedarfen der Gesellschaft einerseits und der optimalen Sicherheit der Besucher/innen andererseits. Wie aber steht es um den Schutz der Mitarbeiter/innen der Häuser, insbesondere jener Personen, die in direktem Kontakt mit dem Publikum stehen?
Kein Problemfeld „Innenraum“ oder doch?
Zu der Frage, ob geschlossene Räume die Ausbreitung von Covid-19 fördern, gibt es konträre Positionen. Ausgehend von der (nicht begründeten) Behauptung, dass „Museen keinen Beitrag zum Infektionsgeschehen leisteten, sei es auch kein falsches Signal, sie wieder zu öffnen“, fordert z.B. der frühere Kulturstaatsminister Julian Nida-Rümelin eine Öffnung der Museen, Opern und Theater. Unterstützt wird er von Christian Kähler, der an der Bundeswehr-Universität München Physik lehrt: „Konzertsäle hätten in der Regel gute Lüftungen, «so dass man sich über die Lüftungsproblematik dort gar keine Gedanken machen muss». Allenfalls gebe es das direkte Infektionsrisiko zwischen den Gästen. Dort könne man mit FFP2-Masken, transparenten Schutzwänden oder dem Nachweis einer Impfung oder eines negativen Corona-Tests arbeiten, sagte der Lehrstuhlinhaber für Strömungsmechanik und Aerodynamik.“ (Anm. 1)
Demgegenüber betonen fünf Wissenschaftler der Gesellschaft für Aerosolforschung (GAeF), dass „DRINNEN die Gefahr lauert“. Sie sprechen nicht ausdrücklich von Kulturbetrieben, aber ihre sechs „Goldenen Regeln“ zur Infektionsvermeidung passen auch auf diese Sparte: „1.) Infektionen finden in Innenräumen statt, deshalb sollten sich möglichst wenige Menschen außerhalb ihres Haushaltes dort treffen. Zusätzlich muss man beachten, dass in Innenräumen auch dann eine Ansteckung stattfindet, wenn man sich nicht direkt mit jemandem trifft, sich aber ein Infektiöser vorher in einem schlecht belüfteten Raum aufgehalten hat! 2.) Man sollte die Zeiten der Treffen und die Aufenthaltszeiten in Innenräumen so kurz wie möglich gestalten. 3.) Man sollte durch häufiges Stoß- oder Querlüften Bedingungen wie im Freien schaffen. 4.) Das Tragen von effektiven Masken ist in Innenräumen nötig. (…) 6.) In großen Hallen und Räumen ist die Ansteckungsgefahr viel geringer als in kleinen Versammlungsräumen. Wenn man also wieder Theater, Konzerte, und Gottesdienste stattfinden lassen will, sollte das in großen gut gelüfteten Hallen stattfinden oder wenn möglich ins Freie ausgewichen werden.“ (Anm. 2)
Was bedeutet das für die Praxis?
Dreh- und Angelpunkte der konkurrierenden Einschätzungen der Wissenschaft sind die Belüftung der Innenräume und die persönlichen Schutzmaßnahmen. Während Strömungsexperte Kähler der Ansicht ist, dass Klima- und Lüftungsanlagen eine ausreichende Hygiene gewährleisten, fordern die Aerosol-Forscher „Bedingungen wie im Freien“. Das ist zum einen etwas grundsätzlich anderes und es lässt sich nur durch systematisches und kontinuierliches Öffnen und Schließen von Türen und Fenstern bewerkstelligen. Während einer Theateraufführung oder eines mehrstündigen Konzertes ist dies nur schwer vorstellbar, denn Menschen können sich erkälten und Instrumente leiden. Wiederum anders verhält es sich in Museen und Ausstellungshäusern, besonders in solchen, die über keine Klimaanlage verfügen und obendrein in historischen Gemäuern untergebracht sind. Dort ist die Einhaltung optimaler Klimawerte für die Exponate und die Architektur bereits jetzt eine ständige Herausforderung: Während Besucher sowie Service- und Aufsichtspersonal darüber klagen, dass die Luft in den Ausstellungsräumen zu stickig sei, tüfteln Restauratoren detaillierte Lüftungs- und Belichtungsregeln aus, die sich nicht nur an Tages- und Jahreszeiten orientieren, sondern auch auf spontane Wetteränderungen (Wolkenbruch, starker Sonnenschein) reagieren müssen. Die bislang realisierte Belüftungspraxis dürfte in vielen Häusern sehr weit weg sein von „Bedingungen wie im Freien“! Und wie steht es um die Forderung der Aerosol-Forscher, die „Aufenthaltszeiten in Innenräumen so kurz wie möglich zu gestalten“? Wer, bitte, geht in eine Ausstellung, um sie möglichst rasch wieder zu verlassen?
Persönliche Schutzausrüstung
Jeder Arbeitgeber hat gegenüber dem Arbeitnehmer eine Fürsorgepflicht, die u.a. im Arbeitsschutzgesetz und in der Arbeitsstättenverordnung geregelt ist. Ein zentrales Instrument dabei ist die Gefährdungsbeurteilung. Bei dem Check müssen alle Gefährdungen, denen die Beschäftigten im Zuge ihrer beruflichen Tätigkeit ausgesetzt sind oder sein können, ermittelt und bewertet werden. Außerdem sind alle zum Schutz der Sicherheit und der Gesundheit erforderliche Maßnahmen abzuleiten, umzusetzen und hinsichtlich ihrer Wirksamkeit zu überprüfen. Der Katalog der regelmäßig zu ermittelnden Gefährdungen ist weit gefasst und erstreckt sich u.a. auch auf Gefährdungen durch Arbeitsumgebungsbedingungen, darunter Licht und Klima.
Wenn Kulturbetriebe trotz der Corona-Pandemie öffnen, sind die Träger der Häuser dazu verpflichtet, ihre Mitarbeiter/innen auch bestmöglich gegen eine Infektion mit dem Coronavirus zu schützen. Das kann technische (z.B. Klimaanlage), organisatorische (z.B. Lüftungsregime) und räumliche Anpassungen (z.B. Einwegstraßen) umfassen sowie zusätzliche Hygienemaßnahmen (z.B. Stationen für Desinfektion, ggf. Corona-Tests). Und nicht zu vergessen ist die Kleidung, die auch dem Schutz des Personals dienen kann. Wenn eine bestimmte Dienstkleidung vorgeschrieben ist, trägt in der Regel der Arbeitgeber die Kosten für deren Anschaffung und Pflege. Gleiches gilt für die Schutzkleidung, die in Museen notwendig sein kann, z.B. beim Umgang mit kontaminiertem Sammlungsgut im Bereich der Konservierung und Restaurierung. Für bestimmte Berufsgruppen gibt es daher die Persönliche Schutzausrüstung (PSA). Dazu können Schutzbrillen, Einwegschutzkleidung, Handschuhe, Mund-, Nasen- und ggf. Atemschutz zählen. (Anm. 3)
Geeignete Maskentypen und richtiger Umgang damit
Mit Blick auf Corona müssen Museen u.a. Kulturbetriebe, die Publikumsverkehr erlauben, ebenfalls dafür Sorge tragen, dass das Service- und Aufsichtspersonal bestmöglich geschützt wird. Während z.B. Schutzhandschuhe optional ausgegeben werden können, sind Mund-Nasen-Bedeckungen zwingend. Diese sollten aber bestimmte Zwecke erfüllen wie z.B. Fremdschutz oder Eigenschutz und darüber hinaus bestimmte Schutzwirkungen entfalten. Dazu gehören der Schutz der Augen und der Schutz vor Tröpfchen und Aerosolen. Das leisten z.B. medizinische Gesichtsmasken (OP-Masken) bzw. partikelfiltrierende Halbmasken (FFP2- / FFP3-Masken). Allerdings ist es mit den richtigen Maskentypen allein nicht getan. Ähnlich wichtig ist es, dass die Masken richtig sitzen sowie sachgemäß aufbewahrt und gepflegt werden. Hier sollten die Arbeitgeber nicht nur allgemeine Anleitungen geben, sondern die Mitarbeiter/innen sollten über Nutzung (richtiger Sitz), Aufbewahrung (luftdicht, um Schimmel zu vermeiden!) und Pflege (Welche Masken sind waschbar?) unterrichtet und bei der Anwendung dauerhaft unterstützt werden. (Anm. 4)
Schließlich: Trotz der Erweiterung der PSA um geeignete Mund-Nasen-Bedeckungen muss den Mitarbeiter/innen im Besucherkontakt klar sein, dass die „AHA+L“-Formel weiter gültig bleibt: Abstand halten, auf Hygiene achten, eine Alltagsmaske tragen und Lüften. Dies zu vermitteln, gehört auch zur Fürsorgepflicht des Arbeitgebers.
QEM – Qualifizierte Einbindung von Museumspersonal
Dr. Berthold Schmitt, Trainer von Service- und Aufsichtspersonal in Museen
Wielandstraße 5, 04177 Leipzig
Tel 0049 / 341 / 5296524
mail(at)schmitt-art.de
www.aufsicht-im-museum.de
Anm. 1.: Nida-Rümelin plädiert für Öffnung von Kultureinrichtungen, in: ZEIT Online, 08.04.2021; Quelle: https://www.zeit.de/news/2021-04/08/nida-ruemelin-plaediert-fuer-oeffnung-von-kultureinrichtungen?utm_referrer=https %3A%2F%2Fwww.google.com%2F; Abfrage: 13.04.2021
Anm. 2: Ansteckungsgefahren aus Aerosolwissenschaftlicher Perspektive, Offener Brief an die Bundeskanzlerin, 11.04.2021; Quelle: http://docs.dpaq.de/17532-offener_brief_aerosolwissenschaftler.pdf ; Abfrage: 13.04.2021
Anm. 3: Vgl. Berthold Schmitt, Dienst- und Schutzbekleidung. Wer trägt die Kosten?, in: KulturBetrieb eins 2019, S. 63.
Anm. 4: Vgl. z.B. Empfehlungen des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM); Quelle: https://www.bfarm.de/SharedDocs/Risikoinformationen/Medizinprodukte/DE/schutzmasken.html ; Abfrage: 13.04.2021
Dieser Beitrag wurde erstmals publiziert in KulturBetrieb, eins 2021, S. 64 f.